Norwegischer Stückgut-Tramp-Frachter MS John Bakke
Baujahr 1929, 8330 tdwt, 2 x 6 cyl. 4T EV Götawerke B&W, Doppeldiesel, 2 Schrauben, Speed 10,5 knots, 120m Länge
Mit diesem Schiff bin ich nach meiner Lehrzeit als KFZ-Mechaniker von 1956 bis 1957 eineinhalb Jahre lang als Seemann (Smörer im Maschinenraum) „durch die Welt“ gefahren. Und das in einer Zeit, als in Deutschland noch niemand reisen konnte – allenfalls mal an den Bodensee. Wie junge Leute heutzutage nach der Schule ein halbes oder ganzes Auslandsjahr machen (war in unserer Jugend ganz ausgeschlossen), fuhren viele Jugendliche meiner Generation damals für eine Weile erst einmal zur See, um sich in erster Linie von zu Hause abzunabeln.
Erst in den letzten Jahren erfuhr ich durch das Internet, welch „bewegte“ Vergangenheit mein Schiff bereits hinter sich hatte, bevor ich es am 3. Januar 1956 in Kiel betrat: Während des 2. Weltkriegs nahm es an mehreren Konvoi-Fahrten von den USA nach England teil und war sogar mit einer Flugabwehrkanone bestückt. 1929 war es eines der ersten Schiffe, welches mit modernen Dieselmotoren ausgerüstet war. Die beiden Maschinen waren im Gegensatz zu heutigen Aggregaten riesig und erstreckten sich auf einer Höhe von 3 Stockwerken. Fiel eine der Maschinen durch Ventilschaden aus, was häufig geschah, fuhren wir mit der anderen weiter. Die fast mannshohen Ventile konnten wir in einem Store des Maschinenraums selbst überholen und waren in gut einer halben Stunde austauschbar. Ich habe in den 1½ Jahren auf diesem Schiff diverse, teilweise recht schlimme Stürme erlebt, jedoch richtige Angst hatte ich aufgrund jugendlicher Unbekümmertheit (Kaventsmänner waren noch unbekannt) dabei nicht. Auch seekrank wurde ich nie und erst ca. 30 Jahre später lernte ich auf einer Segeltour von Dänemark nach Heiligenhafen, wie schrecklich so etwas sein kann…
Im August 1964 hatte die „John Bakke“ auf einer Reise von Murmansk nach Kookola ihre erste Havarie und lief auf Grund. Sie wurde nach der Bergung in Haugesund wieder fahrtüchtig gemacht anschließend an eine Verschrottungsfirma verkauft, wofür das brave Schiff am 17. Oktober 1964 seine letzte Reise antrat.
Wir fuhren seinerzeit Erz, Leder, Stahlbleche, Getreide, lebende Schafe (Australien – Singapur) etc. und wussten oft erst im letzten Moment, was die nächste Fracht war und wo die Reise hinging. Die Liegezeit für das Ent- und Beladen betrug oft bis zu 2 Wochen, worüber wir Seeleute, im Gegensatz zu den armen Teufeln heutiger Containerschiffe, natürlich nicht unglücklich waren, denn so konnten wir jeweilig „Land und Leute“ erforschen und kennenlernen. Ganz nebenbei lernte ich auf dem Schiff Norwegisch, worauf besonders meine norwegische Großmutter stolz war.
Die Reise begann in Kiel und endete 1½ Jahre später in Frankreich.
Die Route: Gotland (Schweden), Vlissingen (Holland), Gibraltar, Port Said (Ägypten), Kuwait, Karatschi (Pakistan), Mormugao (Goa), Singapur, Christmas Island (indischer Ozean), Geralton, Perth, Fremantle, Bunbury (alles Australien), Singapur, Hongkong, Kobe, Himeji (Japan), Yokohama, Tokio, Kamaishi (Nordjapan), Victoria Island, Vancouver, Seattle, Portland, Nachodka (Russland), Kobe, Yokohama, Singapur, Kalkutta, Vishakhapatnam (Ostindien), Kapstadt, Boulogne-sur-Mer (Frankreich).
Die letzte Reise ging um ganz Afrika herum, weil der kürzere Weg durch den Suezkanal wegen der Suezkrise versperrt war.
Identischer Bericht als PDF: Mit der MS John Bakke (Haugesund) auf Trampfahrt durch die halbe Welt